20.03.2019

„Ein bisschen reich, ein bisschen fit“

Mit Philipp Westermeyer, Gründer von OMR und selbst regelmäßig Gastgeber des OMR-Podcasts, sprachen wir über die Gründe des Erfolgs von Podcasts.

Podcasts gibt es schon lange. Doch erst 2015 begann ihr Siegeszug und jetzt sind sie populär wie nie zuvor. Mit Philipp Westermeyer, Gründer von OMR und selbst regelmäßig Gastgeber des OMR-Podcasts, sprachen wir über die Gründe dieses Erfolgs, aktuelle Trends und die Relevanz von Podcasts für die Unternehmenskommunikation. 

Philipp, hast du eine Erklärung dafür, warum Podcasts gerade durch die Decke gehen?

PW Das ist eine Mischung aus technologischer und gesellschaftlicher Entwicklung. Zum einen besitzt fast jeder heute ein Smartphone. Auf den meisten ist ein Podcast-Player bereits vorinstalliert. Und wenn nicht, gibt es den umsonst – auch der Content ist umsonst und zum Teil mittlerweile wirklich gut. 2008 musste man sich noch aufwendig eine Datei herunterladen und irgendwohin kopieren. Das ist heute alles automatisiert und bequem. Zum anderen lernen Menschen gerade, ihren Medienkonsum selbst zu programmieren, Stichwörter: Netflix, Spotify, Mediatheken. Immer mehr wird on demand – also auf Abruf – konsumiert.

Das erschließt ganz neue Zeiträume für die Nutzung.

PW Korrekt. Podcasts hören die Leute beim Sport, beim Autofahren, bei der Hausarbeit oder beim Zähneputzen. Wo früher entweder alte Medien gesetzt waren oder gar keine Mediennutzung vorgesehen war, werden jetzt Podcasts gehört. Wir erleben einen „Perfect Storm“: Es treffen mehrere Kräfte zusammen, die das Medium Podcast extrem vorantreiben.

Ist das Format auch für die Unternehmenskommunikation geeignet? 

PW Das sehen wir schon recht stark. Es gibt immer mehr Podcasts für Mitarbeiter von Firmen. Einmal im Monat zum Beispiel den CEO im O-Ton zu hören, das hat sehr viel Sinn, sorgt für Nähe und ist emotional. Zudem sind Podcasts deutlich einfacher und günstiger zu produzieren als zum Beispiel Videos.

Welche Erfahrungen hast du selbst als „Host“ des OMR-Podcasts gemacht? 

PW Das war eine Reise. Technisch haben wir viel gelernt oder welche Gäste man haben muss, welche Taktung und über die Vermarktung. Erst hatten wir ein Tonstudio bei unserem Büronachbarn, dann haben wir uns einen kleinen Verschlag gebaut. Jetzt haben wir unser eigenes Studio und ein eigenes Team mit acht bis zehn Leuten, die sich um die ganzen technischen Sachen, die Produktion und die Vermarktung kümmern. Ein etablierter Medienprozess. Nach drei, vier Jahren ist das alles keine „Rocket Science“ mehr.

Die Formate schießen wie Pilze aus dem Boden. Wird das nicht langsam inflationär? 

PW Das sehe ich erst mal noch nicht. Es gibt jede Menge Menschen, die das Thema noch gar nicht entdeckt haben, und kommt ein neuer Podcast-Nutzer dazu, hört der im Durchschnitt gleich mehrere pro Woche.

Unübersichtlich ist das Angebot aber schon!

PW Das ist eine Schwäche. Es gibt keine Podcast-Suchmaschine, kein Verzeichnis, keine richtige Übersicht. Es ist also schwer, Sichtbarkeit zu bekommen und Reichweite. Man kann gute Inhalte machen, doch die finden nicht zwangsläufig ein Publikum. Deshalb geben sich Podcasts häufig gegenseitig Verweise und unterstützen sich untereinander. Letztlich liken oder in diesem Fall tatsächlich empfehlen Podcasts aber nur wirkliche Fans. Die Verbreitung ist deshalb langsamer, dafür jedoch auch echter als bei bestimmten Websites zum Beispiel, die vor einigen Jahren auf Facebook einfach so belanglos „weggelikt“ wurden.

Die meisten Podcasts sind im Grunde Talksendungen. Welche Varianten siehst du noch? 

PW Der Talk ist schlichtweg von der Produktion her am einfachsten. Zudem ist es ein sehr gutes Format, wenn man die richtigen Leute zusammenbringt. So was gibt es mit wechselnden Gästen wie bei mir, mit festen Teams wie bei Joko Winterscheidt und Paul Ripke oder als Interview als Teil einer Sendung. So macht es zum Beispiel Gabor Steingart. In Zukunft werden wir noch mehr fiktionale Formate sehen. Podcasts und Hörbücher werden mehr verschwimmen. Das sieht man aktuell vor allem in den USA.

Sport, Comedy, Gesundheit, Politik – welche Themen funktionieren am besten? 

PW Wir versuchen im OMR-Podcast einen Portfolioansatz – es muss also um Marketing und Digitales gehen. Alles, was man darunter irgendwie subsumieren kann, ziehen wir da rein. Mal sprechen wir mit einem Promifotografen, mal mit einer Influencerin oder einem Digital-Unternehmer. Wenn du jede Woche rauskommst, brauchst du einfach ein breites Portfolio an Themen. Nicht zuletzt spielt auch der Bekanntheitsgrad der Gäste eine Rolle, aber bei uns ist es nur ein Element.

Produziert ihr immer unmittelbar vor Veröffentlichung?

PW Nein, wir produzieren durchaus im Voraus. Teilweise haben wir Podcasts acht Wochen in der Pipeline. Es gibt ehrlicherweise auch einige Sendungen, die haben wir noch nie gespielt.

Gibt es den typischen Podcast-Hörer?

PW Die sind tendenziell sicher jünger, so Anfang 30 vielleicht, Smartphone-Besitzer, technikaffin, generell interessiert und aufgeschlossen. Wir haben es also mit einer wirklich attraktiven Zielgruppe zu tun. Man könnte auch flapsig und in Anlehnung an Thomas Ebeling sagen: ein bisschen reich, ein bisschen fit – sowohl im Kopf als auch im Körper.


ZUR PERSON
Philipp Westermeyer

Philipp Westermeyer ist Gründer von OMR – der größten Wissens- und Inspirations-Plattform für die Digital- und Marketingszene in Europa. 2011 ist die „Online Marketing Rockstars“-Konferenz erstmals an den Start gegangen. Aus dieser Veranstaltung ist mittlerweile das zweitägige OMR-Festival mit Konferenz, Messe und Konzerten geworden. Daneben veranstaltet und veröffentlicht OMR zahlreiche weitere Formate – darunter Studien, Seminare, Partys, Podcasts sowie eine Stellenbörse. Die Firma beschäftigt 80 Mitarbeiter in Hamburg. Mehr Infos: www.omr.com