25.11.2015

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“

Jan Hiesserich über die Bedeutung von Bildsprache und kommunikativer Kompetenz in den Führungsetagen.

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“
Jan Hiesserich, Experte für Strategie- und Vorstandskommunikation und Autor von „Der CEO-Navigator“

Jan Hiesserich, Experte für Strategie- und Vorstands- kommunikation und Autor von „Der CEO-Navigator“

In Ihren Büchern „Der CEO-Navigator“ und „Der CEO im Fokus“ sprechen Sie vom Trend der Personalisierung von Unternehmen auf ihren CEO. Spiegelt sich dieser Trend auch in der Vorstandsfotografie wider?

JHAbsolut. Wer die Bedeutung der Bildsprache unterschätzt, beraubt die Kommunikation häufig eines Großteils ihrer Kraft. Kommunikation wird in weiten Teilen der Wirtschaft allerdings noch immer auf das geschriebene oder gesprochene Wort reduziert. Vorstandsvorsitzende sind heute weitaus mehr als nur die Geschäftsführer großer Unternehmen. Sie sind deren Gesicht und gewichtigste Stimme. Gleichsam symbolhaft für die Organisation obliegt es ihnen, für die gemeinsamen Ziele zu werben, Kritiker zu überzeugen und Identifikationen zu stiften. Insbesondere in Krisen- und Umbruchzeiten reicht das gesprochene Wort hierfür jedoch kaum aus. Dann gilt es, über das gesamte Instrumentarium der Kommunikation Sicherheit zu stiften. Schließlich heißt es nicht von ungefähr: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“

Wichtiger Termin oder notwendiges Übel – wie bewerten Vorstände die Fototermine aus Ihrer Erfahrung?

JHEs ist schwierig, hier für die Gesamtheit aller Vorstände zu sprechen. Mehrheitlich werden solche Termine jedoch nach wie vor als „notwendiges Übel“ betrachtet. Ohne Zweifel erkennen Manager die Notwendigkeit solcher Aufnahmen an. Wer sich hingegen derart in Szene setzt, der macht sich immer auch der Inszenierung verdächtig. Und steht diese nicht im klaren Widerspruch zur gerade in Deutschland hochbeschworenen Authentizität? Ein solcher Widerspruch ist freilich überzeichnet, hält sich jedoch nach wie vor hartnäckig in den Köpfen.

Der Trend zur Personalisierung auf den CEO spiegelt sich auch in der Vorstandsfotografie wider

Der Trend zur Personalisierung auf den CEO spiegelt sich auch in der Vorstandsfotografie wider

 

„Allein kann heute niemand mehr seine Ziele erreichen und umsetzen. Wer also überzeugen und für seinen Kurs werben will, der muss kommunizieren und die Bedeutung der eigenen Person als oberster Botschafter des Unternehmens erkennen und nutzen. “

 

Wie beratungsaffin oder -resistent sind Vorstände heute in Kommunikationsfragen?

JHOhne Frage, der Stellenwert der Kommunikation hat sich auch in den Top-Etagen des Managements in den letzten zehn Jahren – insbesondere unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise – deutlich erhöht. Wer mehr Mitarbeiter beschäftigt, als manche Stadt Einwohner hat, der kann die gesellschaftliche Verantwortung, die daraus erwächst, nicht ignorieren. Vor diesem Hintergrund erkennen Vorstände zunehmend an, dass Fachkompetenz allein nicht mehr ausreicht und Beratung in kommunikativen Fragen sinnvoll ist.

Entgegen allen Personalisierungstendenzen: Fünf von 30 DAX-Unternehmen haben im Geschäftsberichtsjahr 2014 auf Vorstandsbilder verzichtet. Mutig oder unüberlegt?

JHEin solches Urteil kommt ohne den Blick auf den Einzelfall nicht aus. An einen Vorstandsvorsitzenden, dessen Unternehmen sich in ruhigen Fahrwassern befindet und zuverlässig liefert, werden hinsichtlich Präsenz und Auftritt sicherlich andere Maßstäbe angelegt als an einen CEO, dessen Aufgabe es ist, sein Unternehmen aus einer tiefen Krise zu führen. Grundsätzlich ist es jedoch zu empfehlen, die Kommunikation nicht nur aufs geschriebene Wort zu reduzieren. Denn wer in besseren Zeiten vorsorgt und sich um den Aufbau einer nachhaltigen Reputation – auch über die zielgerichtete Positionierung mittels der Vorstandsfotografie – sorgt, der kann in schwierigen Zeiten darauf bauen.

Was sagt ein ausgefallenes bzw. mutiges Bildkonzept über ein Unternehmen und seine Führungskultur aus? Die Telekom überraschte beispielsweise in ihrem Geschäftsbericht 2014 mit einem Selfie-Bildkonzept …

JHEs verrät zumindest viel über die Ziele und die gewünschte Wahrnehmung des Top-Managements. Doch Vorsicht: Ein wichtiges Kriterium ist immer die Passung. Das gilt für Unternehmen ebenso wie für Menschen. Vorstände sollten sich daher nicht nur die Frage stellen, wie sie porträtiert werden wollen. Entscheidend ist auch, wie das Unternehmen, dem sie vorstehen, wahrgenommen wird. Spiegelt die Positionierung anschließend eine Übereinstimmung wider, ist die Wirkung meist schlüssig und stimmig. Das soll natürlich nicht heißen, dass hier keine Brüche möglich sind. Gerade das Selfie-Konzept der Telekom wirkt überraschend, da es bewusst mit der nach wie vor weit verbreiteten aber unerwünschten Wahrnehmung der Telekom als ehemaliger Staatsmonopolist bricht. Doch auch solche Konzepte können nur dann funktionieren, wenn sie sich nicht allzu weit von der Selbst- und insbesondere Fremdsicht entfernen.

Wer seine Strategie nicht ausreichend kommuniziert, droht zu scheitern.

Wer seine Strategie nicht ausreichend kommuniziert, droht zu scheitern.

Welche Rolle spielt bei zunehmender Personalisierung überhaupt noch die Unternehmenskultur und -strategie?

JHEine ungeheuer wichtige! CEO-Positionierung darf nicht als etwas Isoliertes betrachtet werden. Vielmehr sollte jede Positionierung immer im Dienst der Strategie stehen. Untersuchungen zeigen eindrucksvoll, dass Vorstandsvorsitzende nicht an einer fehlenden Strategie scheitern, sondern daran, sie nicht richtig vermitteln zu können. Allein kann heute niemand mehr seine Ziele erreichen und umsetzen. Wer also überzeugen und für seinen Kurs werben will, der muss kommunizieren und die Bedeutung der eigenen Person als oberster Botschafter des Unternehmens erkennen und nutzen. Die Positionierung dient ja gerade diesem Ziel, indem sie auf das gesamte Instrumentarium der Kommunikation zurückgreift. Gelingt dies nicht, scheitert meist die Strategie und mit ihr häufig auch der CEO.

Was sind die größten Kommunikationsfehler, vor denen sich ein (neuer) CEO hüten sollte?

JHIm Rahmen des Buches „Der CEO im Fokus“ haben wir mit zahlreichen DAX-30-CEOs und deren Aufsichtsräten gesprochen. Und so unterschiedlich die Blickwinkel und Aussagen auch waren, einen gemeinsamen Nenner gab es: Fast alle haben die enorme Aufmerksamkeit, die ihnen mit dem Schritt an die Spitze zuteilwurde, massiv unterschätzt. Und fast alle gaben an, nur unzureichend auf die neue kommunikative Rolle des CEOs vorbereitet worden zu sein. Der größte Fehler wäre es demnach, die Kommunikation und ihren Stellenwert zu unter- und die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Die Fähigkeit, sich auf unterschiedlichste Zielgruppen einzulassen, gemeinsame Schnittmengen zu identifizieren, zu überzeugen und Sinn zu stiften, gehört zu den mächtigsten Werkzeugen im Arsenal eines CEOs. All dies ist jedoch nicht gottgegeben, sondern bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung.