18.12.2015

„Alles steht hinter der Authentizität zurück“

Claudia Kempf, Vorstandsfotografin von Henkel, über die Eigenschaften eines guten Vorstandsbildes.

Bild: Claudia Kempf

„Alles steht hinter der Authentizität zurück“

 

Fotografin Claudia Kempf

Fotografin Claudia Kempf

Zunächst eine wohl grundlegende Frage: Was unterscheidet ein Vorstandsporträt von einem gewöhnlichen Porträt?

CK Bei der Vorstandsfotografie handelt es sich um angewandte oder besser gesagt inszenierte Fotografie. Überspitzt formuliert: Es soll nicht die Realität, sondern ein ganz bestimmtes Bild vermittelt werden. Dafür wird der Vorstand als wichtigster Repräsentant eines Unternehmens in einer attraktiven Location positioniert und fotografiert.

„Heutzutage muss ein gutes Vorstandsbild die Vertrauensfrage möglichst klar beantworten. “

Welches Ziel verfolgt diese Inszenierung?

CKMan kann das mit den großen Wandgemälden der Herrschenden und Wohlhabenden in den Zeiten des Feudalismus vergleichen: Damals ließen sich die Herrschenden im Pelz vor purpurnem Vorhang und mit dem goldenen Knauf des vornehmen Gehstockes in der Hand abbilden. Zu Füßen nicht selten ein Hund – gerne groß, aber unter Kontrolle. Die Kernbotschaft dabei war immer dieselbe: Wir besitzen Reichtum und Macht.


Diese Werte finden wir auch noch in der heutigen Vorstandsfotografie. Wobei „Reichtum“ dieser Tage eher für die Finanzkraft eines Unternehmens steht und „Macht“ für dessen Kompetenz. Heutzutage muss ein gutes Vorstandsbild die Vertrauensfrage möglichst klar beantworten: Kann ich diesem Manager und diesem Unternehmen vertrauen? Kann ich diesem Mann, dieser Frau, diesem Unternehmen bedenkenlos mein Geld geben? Und welchen Vorteil habe ich dadurch?

Wie kann ein Bild ein solches Vertrauen aufbauen?

CKDer wichtigste Faktor dabei mag simpel klingen, ist aber essenziell: Die Person muss gut zu erkennen sein. Erst dann kann der Betrachter entscheiden, ob er ihr traut. Es geht also mehr um eine Art Wahrhaftigkeit als um eine Beteuerung.

Ein Patentrezept für ein gutes Vorstandsbild gibt es nicht. Authentizität und Vertrauen sind zentrale Kriterien.

Ein Patentrezept für ein gutes Vorstandsbild gibt es nicht. Authentizität und Vertrauen sind zentrale Kriterien.

(Bild: Claudia Kempf)

Gestellte Gruppenbilder sind ein häufiges Motiv. Aber auch hier zeigen sich Unterschiede.

Gestellte Gruppenbilder sind ein häufiges Motiv. Aber auch hier zeigen sich Unterschiede.

(Bild: Claudia Kempf)

Sowohl in der Positionierung der Vorstandsmitglieder...

Sowohl in der Positionierung der Vorstandsmitglieder ...

(Bild: Claudia Kempf)

...als auch in der Wahl der Lichtverhältnisse.

... als auch in der Wahl der Lichtverhältnisse.

(Bild: Claudia Kempf)

Ob ein Foto gelingt, entscheidet sich in einer fünfzigstel Sekunde.

Ob ein Foto gelingt, entscheidet sich in einer fünfzigstel Sekunde.

(Bild: Claudia Kempf)

 

Welche Rolle nimmt dabei der Fotograf ein? Inwiefern kann er diese Wahrhaftigkeit beeinflussen?

CKAls Betrachter will ich nicht, dass man mir sagt, dass ich vertrauen kann. Ich will die Person sehen und selbst entscheiden. Dieser – aus meiner Sicht der absolut entscheidende – Punkt liegt zu 99 Prozent in der Hand des Fotografen und im Moment des Fotografierens. Ob ein Foto gelingt, entscheidet sich in einer fünfzigstel Sekunde und dem Moment kurz davor. Zunächst muss der Fotograf also eine menschliche Verbindung zum Vorstand aufbauen, eine gewisse Nähe und Vertrautheit herstellen, damit der abgebildete Mensch bereit ist, sich zu öffnen. Natürlich müssen auch Gesten stimmen und der Anzug sitzen – aber das steht hinter dieser „Authentizität“ zurück.

 

„Eine minutiöse Vorbereitung ist unerlässlich, denn das Zeitfenster für das alles entscheidende Shooting ist in der Regel sehr eng.“

 

 

Der Fotograf muss in der Lage sein, den Vorstand nicht in Symbolen einzumauern, sondern ihm vielmehr eine Form innerer Offenheit zu entlocken. Der Dargestellte muss bereit sein, sich für einen kurzen Augenblick zu zeigen, zu öffnen oder etwas von seinem innersten, zutiefst authentischen Kern preiszugeben. Dann kann ein besonderes Bild entstehen, das eine Persönlichkeit erkennen lässt.

Welche weiteren Faktoren spielen dabei eine Rolle und was ist in der Vorbereitung auf ein solches Shooting entscheidend?

CKOrganisatorisch sind natürlich viele Faktoren zu beachten: Eine minutiöse Vorbereitung ist häufig unerlässlich, denn das Zeitfenster für das alles entscheidende Shooting ist in der Regel sehr eng. Man muss sich Gedanken zur Positionierung und Inszenierung machen. Eine Location muss gefunden werden. Gibt es Requisiten? Diese Gestaltungselemente sind wie der Beat in der Musik. Wehe, es stimmt etwas nicht, dann stoppt sofort die Bereitschaft, dem Musikstück zu folgen. Ist aber der Beat stimmig und natürlich, überträgt sich zum einen eine gewisse Lebensfreude und zum anderen sind wir als Betrachter nicht nur bereit zu folgen – wir freuen uns sogar darüber.

Die Einflussfaktoren vor dem und während des Shootings sind also so vielfältig, dass man kaum von einem Patentrezept sprechen kann?

CKDass ein aufgeräumtes Bild eher Vertrauen erweckt als ein chaotisches, ist in diesem Zusammenhang fast eine Binse. Genauso wie ein Bild Schärfe braucht oder man den Vorstand nicht hinter einer Säule verschwinden lassen darf. Aber darüber hinaus würde ich behaupten, dass es kein allgemein anwendbares Rezept für ein gutes Vorstandsbild gibt.